Mittwoch, 30. April 2014

L'ARCANO INCANTATORE (1996)














ARCANE SORCERER

Italien 1996
Regie: Pupi Avati
DarstellerInnen: Carlo Cecchi, Stefano Dionisi, Arnaldo Ninchi, Andrea Scorzoni, Elena De Chirico u.a.


Inhalt
Wir schreiben das Jahr 1750. Priesteranwärter Giacomo Videtti, der ein Mädchen geschwängert und dann zur Abtreibung gezwungen hat, flieht aus Bologna. Schutz und Zuflucht vor Bestrafung durch ein Tribunal verspricht ihm eine mysteriöse alte Dame, mit der er einen diabolischen Blut-Pakt besiegelt.
Er findet Asyl in der ländlichen Idylle bei einem aufgrund seinem Hang zum Okkultismus von der Kirche verstoßenen Priester und betätigt sich dort als dessen Assistent.
Giacomos Vorgänger, der soeben erst verstorbene Nerio, ist im nahe gelegenen Kloster dafür bekannt, dass er satanische Beschwörungen praktizierte. Die Gerüchte um seine Person besagen, dass er für das Verschwinden zweier Nonnen aus dem nahen Konvent verantwortlich sein soll. Einige äußern die Befürchtung, dass Nerio imstande ist, von den Toten aufzuerstehen und alsbald mehren sich die mysteriösen Vorkommnisse in Giacomos Unterkunft...


Giacomo auf der Flucht


Giacomo in der Bibliothek seines neuen Herrn


Der italienische Regisseur Pupi Avati und seine Werke lassen sich nur schwer kategorisieren. Im Allgemeinen sind seine Filme inhaltlich nicht so leicht zugänglich. Das dürfte auch der Grund sein, warum nur wenige "Avatis" überhaupt den Weg zu CineastInnen außerhalb Italiens gefunden haben.
Im deutschsprachigen Raum sind eingefleischten Eurocult-Fans am ehesten noch "Das Haus der lachenden Fenster" aus dem Jahr 1976 und Zeder - Denn Tote kehren wieder aus dem Jahr 1983 ein Begriff.

Völlig zu Unrecht fristet "L'arcano incantatore" sein Dasein in der Versenkung. Zugegebenermaßen haben bis auf ganz wenige Ausnahmen (z.B. Michele Soavis The Sect und Dellamorte Dellamore) seit etwa Mitte der Achtziger kaum bis gar keine guten Horrorfilme die Grenzen von Bella Italia passiert.
Im Fall von "L'Arcano Incantatore" ist es für mich besonders unverständlich. Dieser ist nämlich ein zeitlos wirkendes ästhetisches Kleinod des Gotikhorrorfilms in der Tradition der Altmeister wie Mario Bava, Antonio Margheriti oder Riccardo Freda.

Die Erzählung beginnt mit dem Besuch eines Priesters bei Giacomo, der sich allerdings im Dunkeln verbirgt und durch Gebete versucht, der bösen Mächte, die seiner habhaft geworden sind, zu entsagen. Er lässt sich darauf ein, seinem Besucher (und uns) im Austausch für die Erlösung seiner Seele von seiner Vergangenheit zu erzählen.
Seine Geschichte beginnt mit der Flucht aus Bologna.

"L'arcano..." verzaubert und fesselt bereits zu Beginn durch das Auftauchen mysteriöser Figuren und rätselhafter Begegnungen. Sei es die alte Dame, die ihr Antlitz hinter der Wand mit dem Eulenbild verbirgt und dem verzweifelten Giacomo den Schwur entlockt oder das Mädchen, das schwer krank war und angeblich von den Toten zurückgekehrt ist, das dem verdutzten Giacomo eine Warnung aus dem Jenseits übermittelt.


Die Dame hinter der Eule


"Ich habe eine Botschaft für dich."


Avati macht von den ersten Minuten an keinen Hehl daraus, dass hier diabolische Mächte am Werk sind. Dieser Eindruck verstärkt sich alsbald, wenn Giacomo in der Behausung des alten dahinsiechenden Priesters die ersten paranormalen Ereignisse bezeugt.
Je mehr Giacomo bemüht ist, das Geheimnis des signore, dem er untergeben ist, zu lüften, umso größer wird die Gefahr, die nicht nur seinem Leben, sondern auch seiner Seele droht.

Besonders reizvoll an "L'arcano..." sind neben den bereits erwähnten Aspekten die Landschaft der Emilia-Romagna und die Abendstimmungen, die jede einzeln für sich aussehen wie ein düsteres Gemälde. Viele Szenen, besonders die Sonnenuntergänge, sind dermaßen ästhetisch fotografiert, dass man den Eindruck hat, Avati hätte irgendwelche Filter verwendet.


Ästhetik pur


"Rosa di rose,
fiore di ogni fiori,
donna di donne,
signora di signore."

Diese Zeilen werden eingangs von der alten Frau und weiteren lebenden (und geisterhaften) Gestalten, denen Giacomo begegnet, gesungen. Eine treffendere Beschreibung wäre wohl "gewispert".
Pino Donnagio, sozusagen der Komponist des Vertrauens von Brian De Palma (siehe auch Schwarzer Engel), hat das unaufdringliche musikalische Hauptthema zu "L'arcano..." beigesteuert.

Der in Italien als Theaterschauspieler bekannte Carlo Cecchi war die perfekte Besetzung für den zwielichtigen ehemaligen Priester, der immer noch schwarzmagischen Ritualen frönt.
Er wirkt sehr authentisch mit seinem leichten Anflug von Überheblichkeit, gepaart mit mühevoll unterdrücktem Wahnsinn und exzentrischer Geheimniskrämerei.
Auch wenn er bisweilen alt und schwach wirkt, hat er dennoch etwas subtil-Bedrohliches an sich.


Ein Beispiel für Cecchis Leinwandpräsenz


Der Signore verspeist eine rohe Schnecke


Und auch Stefano Dionisi als etwas naiver und zunehmend verängstigter Giacomo muss hier lobend erwähnt werden.
Der Film steckt voller Symbolik und dezenten Andeutungen, die auf verschiedene Weise interpretiert werden könn(t)en. An dieser Stelle soll aber Avati selbst zu Wort kommen:

"Sometimes I read things about my movies that I find unbelievable, but if the writer can proove his theories are valid, great. Isn't that what true art is all about?"
Entnommen aus "Jones, Alan: Out of the darkness with Pupi Avati" im Buch "Eyeball Compendium"

Aufgrund des gemächlichen Erzähltempos Avatis und vieler Szenen, die lediglich durch Kerzenlicht erhellt werden, sei der Genuss dieses Filmes eher an einem verregneten Vormittag oder frühen Nachmittag empfohlen.
Bislang ist "L'arcano..." leider nur vom Label "Filmauro/Medusa" in Italien ohne Untertitel erschienen. Es bleibt zu hoffen und zu wünschen, dass sich ein deutsches oder zumindest amerikanisches Label dieses kleinen Kunstwerks annimmt!


Foto: italienische DVD von Filmauro




Sonntag, 27. April 2014

IL BOSS (1973)














DER TEUFEL FÜHRT REGIE

Italien 1973
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Henry Silva, Richard Conte, Gianni Garko, Claudio Nicastro, Corrado Gaipa, Antonia Santilli, Vittoria Caprioli  u.a.


Inhalt
Lanzetta ist ein in Mafia-Kreisen bekannter und geschätzter Mann. Im Auftrag seines Mentors und Ersatzvaters Don Giuseppe D'Aniello und Don Corrasco, dem Kopf des sizilianischen Clans, übernimmt er Auftragsmorde.
Bevorzugt dienen die Attentate dazu, den rivalisierenden und als "kalabresischen Landpöbel" verachteten Clan Don Cocchis zu dezimieren.
Als sich Cocchis Anhänger wiederum durch die Entführung von D'Aniellos Tochter für einen jüngst verübten Anschlag Lanzettas rächen, stellt dieser fest, dass er nicht allen Interessen gerecht werden kann. Da ist zum einen Don D'Aniello, der als reicher Bauunternehmer und verzweifelter Vater bereit ist, alle finanziellen Forderungen der Entführer zu erfüllen und auch nicht davor zurückschrecken würde, sich selbst zu demütigen.
Zum anderen Don Corrasco, der um die Ehre und den Ruf seiner famiglia besorgt und keinesfalls bereit ist, sich auf Deals irgendeiner Art mit den Erpressern einzulassen...
Was führt Lanzetta im Schilde und auf welche Art und Weise kreuzt sich sein Weg mit dem des korrupten Kommissar Torri?


Lanzetta bei der Arbeit


Kämpft gegen den "kalabresischen Landpöbel"


"Der Teufel führt Regie" ist nach dem grandiosen Milano Kaliber 9 und dem äußerst unterhaltsamen Der Mafiaboss Fernando Di Leo's dritter und letzter Beitrag zu seiner Milieustudie über die italienische Mafia.
Und vielleicht auch der am meisten unterschätzte Teil der Trilogie. Zu Unrecht.

Denn "Der Teufel führt Regie" ist trotz literweise J&B und einigen herrlichen Sleaze- und Exploitation-Szenen (und einer etwas trashigen deutschen Synchro) eine sehr ernsthafte Skizzierung mafiöser Strukturen, die ihre Kreise bis in die Politik ziehen und auch vor der Kirche nicht Halt machen.
Die Handlung ist tatsächlich verschachtelter und komplexer als es sich auf den ersten Blick vermuten ließe.
Äußerst faszinierend, wie durch eine geschickte Wendung in den allerletzten Filmminuten so manches vorher Gesehene in einem anderen Licht erscheint.

"Der Teufel führt Regie" ist brutal. Weniger wegen der zum Teil nicht besonders herausragenden Effekte, sondern wegen der kalten Aggression und Gewalttätigkeit, die die Mafiosi an den Tag legen.
Außerdem ist er näher als viele andere Mafia-Filme an der Realität angesiedelt. So nahe, dass Lima, ein damaliger italienischer Minister, der selbst Verbindungen zur Mafia hatte, meinte, sich in einer Figur selbst erkennen zu können und Di Leo (der im Bonusmaterial von "Raro Video" zugibt, dass die Ähnlichkeit mit lebenden Personen keineswegs "rein zufällig" war) verklagte.
Es ist an dieser Stelle wohl überflüssig zu erläutern, wem Lima mit dieser Aktion den größeren Schaden zugefügt hatte.

Für die Rolle des gefürchteten und sogar von seinen Gegnern bewunderten Killers gab es zur damaligen Zeit (und wohl auch heute noch) niemand Geeigneteren als Henry Silva.
Silva ist ein ganz besonderer Schauspieler. Weniger seinem mimischen Darstellungsvermögen als seinem hart wirkenden furchigen Gesicht und seinem stechenden Blick hat er es wohl zu verdanken, dass er es zu einer recht beachtlichen (laut ofdb bis sogar ins Jahr 2007 reichenden) Filmografie gebracht hat.

Richard Conte schafft es als Capo Don Corrasco ebenfalls, einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.
Mindestens genau so passend gewählt ist die Besetzung von Vittorio Caprioli (bekannt auch als Kommunenoberhaupt Nazariota in Oben ohne, unten Jeans) in der Rolle des etwas resignierten Polizeipräsidenten. Die allgegenwärtige Korruption, die sogar vor seinen eigenen Untergebenen nicht Halt macht, bereitet ihm Kopfschmerzen.
Als Ausgleich dafür macht es ihm offensichtlich große Freude dem korrupten Kommissar Torri auf den Zahn zu fühlen und ihm immer wieder klar zu machen, wer von beiden in der internen Hierarchie höher angesiedelt ist.

Lieblingszitat:
Don D'Aniello (entsetzt über den Befehl, kein Lösegeld zu zahlen): "Und wenn sie meine Tochter umbringen?
Don Corrasco (schulterzuckend) "Dann... müssen wir uns damit abfinden!"

Fernando Di Leos Gratwanderung zwischen sleaziger Unterhaltung und ernsthafter Aussage ist eindeutig gelungen.
Dank seiner mutigen Regiearbeit und dem kultigen Soundtrack von Luis Enríquez Bacalov (u.a. verantwortlich für die Musik in Auge um Auge, Il poliziotto è marcio oder Der Todesengel) beschert uns "Der Teufel führt Regie" nicht nur 104 Minuten filmischen Zeitvertreibs, sondern auch einen realitätsnahen Einblick in die Welt der Onorata Società.




Foto: Raro Video Blu Ray, Koch Media DVD und Raro Italien VÖ




Blu Ray von FilmArt




Montag, 21. April 2014

SPECIAL: ZEITLOSES VENEDIG

Venedig ist immer eine Reise wert. Besonders im Winter.
Wenn die Temperaturen etwas gesunken sind und man weder Kanäle noch schwitzende Tagestouristen riechen kann, ist für mich die schönste Zeit für einen Kurztrip nach Venezia.
Besonders Nachtspaziergänge durch die nur spärlich beleuchteten Gassen abseits der Touristenströme haben es mir angetan.
So sind wir, ausgerüstet mit Gummistiefeln wegen dem berühmten Aqua Alta, unterwegs durch die Stadt, in der die Zeit nahezu stehen geblieben ist und die immer noch aussieht wie in den Siebzigern.
Dies war auch die Zeit, in der dort Filmperlen wie zum Beispiel Der Todesengel, Anima Persa, The Child - Die Stadt wird zum Alptraum, Wenn die Gondeln Trauer tragen, Blutiger Schatten oder "Giallo a Venezia" gedreht wurden.

An dieser Stelle zeige ich euch gerne eine kleine Auswahl meiner zahlreichen Urlaubsfotos:
(Ach ja, und der nächste Aufenthalt im November ist schon gebucht...)


Die Rialto-Brücke bei Nacht


Dunkle Wolken ziehen auf


traumähnlich?


Auf der Friedhofsinsel


Abendstimmung


Die Fassade bröckelt


Kirche Santa Maria della Salute


Und es dämmert


Wieder die Salute Kirche, bekannt aus "Der Todesengel"


Villa


Auch die gehören zu Venedig


Der Nebel zieht auf...


Raubvögel


Nahe der Rialto im Mondlicht


Die Seufzerbrücke aus der Ferne


Verschwand hier einst Nicoletta Elmi in "The Child..."?


Solche Plätze gibt es einige...


Basilica dei Santi Giovanni e Paolo


Blick von der Salute zum Haus Graf Tiepolos ("Der Todesengel")


Arsenale


Nochmal meine Lieblingskirche


Gondeln dürfen nicht fehlen


Verfall


Wäsche sieht man in Arsenale oft


Nebel zieht durch die Kanäle


Die Friedhofsinsel, an der auch Ingenieur Stoltz vorbeifuhr ("Anima Persa")


Spiegelungen


Samstag, 19. April 2014

LA VITTIMA DESIGNATA (1971)














DER TODESENGEL

Italien 1971
Regie: Maurizio Lucidi
DarstellerInnen: Tomas Milian, Ottavio Alessi, Marisa Bartoli, Katia Christine, Pierre Clémenti, Luigi Casellato u.a.


Inhalt
Der mit der reichen Luisa unglücklich verheiratete Grafiker Stefano Augenti lernt bei einem Venedig-Aufenthalt mit seiner Langzeit-Affäre den exzentrischen Graf Matteo Tiepolo kennen. Letzterer versucht, die Freundschaft Stefanos zu erlangen und ihn zu einem perfekten Verbrechen zu überreden - Stefano soll Matteos verhassten Bruder ermorden, im Gegenzug tötet der Graf Stefanos Frau. Als Stefano sich nicht so recht für den ihm unterbreiteten Pakt begeistern kann, wird er mithilfe eines perfiden Plans dazu genötigt...


So muss Venedig aussehen


Eine Paradebeispiel für Extravaganz - Graf Tiepolo


Der Vollständigkeit halber sei gleich eingangs erwähnt:
"Der Todesengel" ist nach Alfred Hitchcocks "Der Fremde im Zug" die zweite Verfilmung der Romanvorlage der Autorin Patricia Highsmith.
Auch wenn man sich (wie ich) weder für Hitchcock noch für Kriminalromane begeistern kann, sollte man dennoch unbedingt einen Blick auf dieses Filmjuwel riskieren.

Warum?
Weil zwei großartige Schauspieler, nämlich das Ausnahmetalent Tomas Milian und Pierre Cleménti sich ein Psychoduell liefern, das an Intensität und Spannung kaum zu übertreffen ist.
Weil bereits von der ersten Minute an, während die Credits noch über den Leinwand flackern und Stefanos Geliebte sich vor seiner imaginären Kamera räkelt, deutlich wird, wie ästhetisch der Film fotografiert wurde.
Nicht nur die Kameraeinstellungen an sich, sondern auch die Farben und die Schauplätze (Mailand, Venedig und der Lago di Como) wurden hervorragend ausgewählt.

Mein Venedig


Venedig wird gezeigt, wie es am schönsten, morbidesten und zugleich romantischsten ist. Nämlich im Winter, wenn die Gassen eher leer sind und die Passanten Mäntel und ordentliches Schuhwerk (statt geschmacklosen Sandalen und Shorts) tragen.
Wenn der Nebel in der Luft hängt und seinen grauen Filter über die maroden Hausfassaden wirft.
Der eigenwillige Charme und die einzigartige Faszination, die Venedig ausübt, ja sogar die Spiegelungen im Wasser, wurden in "Der Todesengel" künstlerisch eingefangen.

Genau dieses düstere Venedig scheint auch den Geist Matteo Tiepolos, seine Todessehnsucht und seine Außergewöhnlichkeit wiederzuspiegeln und das Schicksal Stefanos zu prophezeien.
Vom Schicksal spricht der Graf immer wieder. Doch sind es tatsächlich schicksalhafte Begegnungen zwischen den beiden Männern oder lauert Tiepolo dem ahnungslosen Stefano gezielt immer wieder an verschiedenen Orten auf?
Wer den Film kennt, kann sich denken, dass wohl eher Letzteres der Fall ist.
Der diabolische Plan, den Matteo ausgeklügelt hat, weist in Wahrheit keine undichte Stelle auf. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, obwohl es lange Zeit diesen Anschein macht.
Seine Handlungen werden vom Motto "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt" angeleitet.

"Always searching, never finding, my shadow in the dark..."


Der Soundtrack, den man nicht besser auf die Handlung abstimmen hätte können, stammt aus der Feder von Luis Enríquez Bacalov, der neben der Filmmusik für Corbuccis "Django" vor allem für Fernando Di Leos Filme (u.a. Milano Kaliber 9) Soundtracks von bemerkenswerter Raffinesse komponierte.
Umgesetzt wurde er von der Prog-Rock Band "The New Trolls", die gekonnt Klassik mit moderner Musik verbindet, und niemand geringerer als Tomas Milian hat den Gesang dazu beigesteuert.

Stefano wird durch die Aktionen Tiepolos immer stärker unter Druck gesetzt, wird zum getriebenen und gehetzten Tier, das immer mehr in die Enge gedrängt wird und keine Hoffnung mehr sieht.
Während sich die Flucht- und Handlungsoptionen Stefanos unerbittlich einengen und schließlich zur Gänze schwinden, wird man auch als ZuschauerIn mitgerissen von der Hoffnungslosigkeit und auch die zunehmende Atemlosigkeit Stefanos scheint sich zu übertragen.

Ich habe den Film bereits mehrfach in der deutschen, italienischen und englischen Sprachversion gesehen.
Obwohl ich tendenziell eher eine Verfechterin von Filmen in Originalton bin, ist die deutsche Synchronisation dermaßen gut gelungen, dass für mich keine andere Fassung mehr in Frage kommt.
Besonders den verbalen Äußerungen von Graf Tiepolo wohnt eine verschrobene Poesie inne, die perfekt zur Mimik und Gestik von Cleménti passen.
Und auch der Wortwitz mancher Dialoge kommt auf Deutsch am besten zur Geltung.

"Der Todesengel" ist ein Giallo im Sinne eines italienischen Thrillers, wie man diese Film-Gattung generell in Bella Italia betitelt.
Wer sich aufgrund der Bezeichnung behandschuhte Fetischmorde und ein gewisses Maß an Blutrünstigkeit erwartet, wird herb enttäuscht sein.

Wer hingegen Venedig liebt und sich für gut inszenierte psychologische Handlungselemente begeistern kann, darf sich von "Der Todesengel" getrost treiben lassen auf dem Trip zwischen Venedig, der mysteriösen Welt des Matteo Tiepolo, und dem von der bitteren Realität gefärbten Mailand Stefanos.


Einen Bildvergleich der Locations aus dem Jahr 1971 und 2014 gibt es hier.




Foto: "NEW" und "Shameless" VÖ




Foto: Soundtrack





Sonntag, 13. April 2014

AVERE VENT'ANNI (1978)














OBEN OHNE, UNTEN JEANS

Italien 1978
Regie: Fernando Di Leo
DarstellerInnen: Gloria Guida, Lilli Carati, Ray Lovelock, Daniele Vargas, Vittorio Caprioli, Olga Karlatos u.a.


Inhalt
Lia und Tina sind unbeschwerte junge Frauen, die das Leben genießen. Sie wollen nicht fremdbestimmt sein und sich weder den Regeln der Gesellschaft noch irgendwelchen Gesetzen unterwerfen. So beschließen sie spontan, gemeinsam nach Rom zu trampen, um dort Aufnahme in einer Kommune zu finden.
Was sie in der Hauptstadt allerdings vorfinden, entspricht nicht ganz ihren ursprünglichen Erwartungen. Nichtsdestotrotz quartieren sie sich ein und versuchen, das Beste aus ihrer Situation zu machen.
Als die Polizei schließlich alle Kommunen-Mitglieder wegen Verdacht auf Drogenkonsum bzw. -handel festnimmt und verhört, werden Lia und Tina vom ehrgeizigen und brutalen Polizeikommissar Zambo des Stadtgebietes verwiesen.
Innerhalb von 24 Stunden müssen sie sich bei der Polizei ihrer Heimatprovinz melden, ansonsten riskieren sie eine Festnahme.
Wohl oder übel machen die beiden Frauen sich auf den Weg. Doch die Rückreise verläuft ganz anders, als die Freundinnen sich das vorgestellt hatten...


Innenansicht der Kommune Nazariotas


Tanzen macht Spaß


"Avere vent'anni" (engl.: "Being twenty", auch: "To be twenty") ist nicht einfach zu beschreiben.
Ein Grund dafür ist sicherlich die für das Review notwendige Vermeidung von Spoilern.
Ein anderer Grund ist schlicht und einfach, dass es sich bei diesem kleinen Kunstwerk um einen recht ungewöhnlichen Film mit teils absurden Szenen, der weit abseits der Norm liegt, handelt.

Mit "Avere vent'anni" begibt man sich auf einen ziemlich schrägen Trip.
Zwischen Sleaze- und Exploitation-Szenen und Nonsense-Dialogen finden sich tiefgründige philosophische Fragestellungen und feministische Theorien.
Nebenbei geht es noch um den Verfall der Werte, physische und psychische Auswirkungen von Drogenkonsum, das Ende der Hippie-Ära, Geringschätzung und Verachtung von Männern gegenüber Frauen und die allgegenwärtige Gewalt.

Ein Drama mit Elementen der Komödie. An manchen Stellen wirkt Fernando Di Leos Werk wiederum wie ein Arthaus-Film. Dann wieder wie eine Sleaze-Bombe.
Lange Zeit dümpelt die Handlung eher leicht und seicht vor sich hin und eigentlich weiß am Ende nur derjenige, der den Film als director's cut gesehen hat, was die eigentliche Aussage hinter dem Dargestellten sein soll.

Das bittere Ende ist tragisch und verdeutlicht, worauf der Regisseur thematisch beim Film wohl das größte Augenmerk gelegt hat.
Fernando di Leo, der das Drehbuch für "Avere vent'anni" geschrieben hat und Regie führte, ist ohne Zweifel ein Ausnahmeregisseur, der seiner Zeit um Einiges voraus war.
Er selbst betonte in diversen Interviews immer wieder, wie wichtig ihm die Darstellung der Frauencharaktere, die in seinen Filmen vorkommen, sei.

Lia und Tina sind junge Frauen, die auf eine sehr naive Art und Weise mit ihrer Sexualität kokettieren und nach dem Prinzip des Hedonismus zu leben scheinen.
Besonders faszinierte Di Leo laut eigener Aussage der Aspekt der Frau als freiem sexuellen Wesen.
Frauen, die tun, worauf sie gerade Lust haben und die sich nicht durch Regeln und Moralvorstellungen bzw. Rollenklischees der von Männern dominierten Welt einschränken lassen.
Dieses Verhalten wirkt sich im geschützten Rahmen der Kommune bzw. im Hippie-Milieu zwar nicht nachteilig aus, funktioniert aber außerhalb nur bedingt.
Und ist, wenn man es genau nimmt, eigentlich auch in der heutigen Gesellschaft noch eine Utopie.

Gloria Guida, die in Italien vor allem für (erotische) Komödien berühmt war und Lilli Carati sind zwei optisch ziemlich unterschiedliche Frauentypen, aber jede für sich eine Augenweide. Beide versprühen viel Leichtigkeit, Charme und Erotik.
Und was wäre der Film wohl ohne unseren Lieblings-Hippie Ray Lovelock und Vittorio Caprioli als "Kommunen-Oberhaupt" Nazariota (u.a. bekannt als Kommissar in Der Teufel führt Regie)?
Und wer Olga Karlatos (ua. bekannt aus Woodoo oder "Keoma") auf Anhieb erkennt, bekommt von mir 10 Punkte und eine Medaille in Form eines Holzsplitters.


Lieblingszitat:
Kommunen-Oberhaupt Nazariota auf die Frage der beiden Frauen, ob sie in der Kommune leben dürfen:
"Of course, why not? But now, there's a fee to pay."
Tina: "A fee? Communes can't charge fees! What is this, a hotel?"
Nazariota: "It's a family-run guest house! Communes are a thing from the past.
We have to pay electricity, water, gas, solid waste removal."



Diskussion über die Kommunen-Gebühren


Ein Film, den man als Italo-Fan einfach sehen muss.
Der in der Art der Darstellung (nicht nur aus feministischer Sicht) sicherlich diskussionswürdig ist und KritikerInnen vermutlich in zwei Lager spaltet.
Und der von einigen Menschen wahrscheinlich nie verstanden werden wird.

Der unsägliche deutsche Titel "Oben ohne, unten Jeans" wird dem "Avere vent'anni" jedenfalls bei Weitem nicht gerecht.
Die Vermarktung des Films im deutschsprachigen Raum als "Commedia sexy all'italiana" (vgl. "Oben ohne, unten Jeans") führt das von Di Leo eigentlich intendierte Film-Thema ad absurdum bzw. verkehrt den Sinn ins Gegenteil.

Die schön aufgemachte Doppel-DVD von Raro-Video mit interessantem Bonus-Material enthält beide Fassungen, auch die sinn-entleerte, abgeänderte Fassung. Aber das ist wieder eine andere Geschichte...

Genau so war es nicht gemeint:




Foto: DVD von Raro Video